Was spielt sich während eines Konzertes im Kopf eines Geigensolisten ab? So wenig die Frage im Allgemeinen zu beantworten ist, so
faszinierend ist die Reise, auf die uns Wasilij Tarabuko mitnimmt in Auseinandersetzung mit Henryk Wieniawskis „Légénde“ – eine Reise weit zurück in seine Vergangenheit. Die Aufführung erzählt
von der Kindheit des heutigen Konzertmeisters der Neuen Lausitzer Philharmonie und seiner Zeit im Minsker Musikinternat. Weit weg von seiner Familie fehlt ihm dort ein vertrauensvoller
Ansprechpartner. Um dieses Vakuum zu füllen, träumt er sich in die Welt des großen polnischen Geigers und Komponisten Henryk Wieniawski (1835-1880). Wieniawski lebte und durchlitt die
spektakuläre Karriere eines Wunderkindes. Er durcheilte mit zahllosen Konzerten das biedermeierliche Europa. Mit 44 Jahren starb er nach langer Krankheit und – wie viele Genies – verarmt in
Moskau. Der kleine Wasilij tritt in einen poetischen Dialog mit seinem Idol, bis sich die Situation verkehrt: Wieniawski - gespielt von Tarabuko als Geiger und Schauspieler - will nun von ihm
wissen, wie es ist ein Kind zu sein. Die hoch emotionale Auseinandersetzung mit dem Leben seines musikalischen Vorbildes eröffnet dem jungen Geiger fortan neue musikalische Dimensionen, die ihm
helfen, den harten Alltag eines sowjetischen Eliteinternates zu bestehen.
Presse- und Kritikerstimmen
"... begeistert über die einfühlsame Verbindung von Schauspiel, Puppenspiel, klassischer Musik, Videoprojektion, Film und Fotografie, über die gekonnte Verknüpfung zweier Künstlerbiografien aus ganz unterschiedlichen Zeiten, aber vor allem über die menschliche Nähe des Stückes ..."
Sächsische Zeitung
Die ganze Kritik zur Uraufführung finden Sie hier!
"...erreicht ihren Höhepunkt am Schluss: Wenn Tarabuko, von Ewa Zacharcyk-Kowal am Flügel begleitet, die anfangs unterbrochene Légende von Wieniawski wahrhaft anbetungswürdig zu Ende spielt."
Rhein-Neckar-Zeitung
"Den Kampf des Künstlers, der am Leben und vielleicht auch am Talent zerbrach, machen die Schauspieler mit eindringlichem Körper- und Bildertheater erfahrbar... René Harder schlägt Brücken zwischen den Kulturen"
Esslinger Zeitung
"Was gibt ein Musiker für seine Karriere auf? Darum dreht sich das Stück 'Kinder der Musik' ..."
Sächsische Zeitung
Den ganzen Vorbericht zur Uraufführung finden Sie hier!
"Kinder der Musik ist meines Wissens das erste Theaterstück in der Geschichte der Europastadt Görlitz-Zgorzelec (also seit dem 5. Mai 1998), dass die Doppeltheit der deutsch-polnischen Stadt in ein gelungenes künstlerisches Konzept umgesetzt hat."
Prof. Matthias T. Vogt, Leiter des Institutes für Kulturelle Infrastruktur Sachsen
Interesse an einem Gastspiel?
An Informationsmaterial können wir Ihnen folgendes zur Verfügung stellen:
Gerne machen wir ein auf die Bedingungen abgestimmtes Angebot. Anfragen bitte an: kinder-der-musik@reneharder.de
Inhalt
Vorbemerkung zu Wieniawski
Wieniawski gelang als Achtjährigem die Aufnahme in das Pariser Konservatorium – so jung sollte niemand je wieder an der seinerzeit berühmtesten Musikhochschule der Welt angenommen werden. Der Knirps bewährte sich. Während seine Altersgenossen sich mit Grammatik in der Schule plagten, schloss Wieniawski bereits die Hochschule ab: mit 11 Jahren und den höchsten Auszeichnungen. In gleicher Weise spektakulär verläuft die Kariere des Wunderkindes: Er durcheilt mit zahllosen Konzerten das biedermeierliche Europa, kommt erst zur Ruhe, als sein Herz still steht: Mit 44 Jahren stirbt er nach langer Krankheit und – wie viele Genies – verarmt in Moskau.
Enthusiastische Zeitungskritiken in vielen Sprachen zeugen von seinem Leben und seinem Virtuosentum, Musiklexika attestieren ihm, viel zur Entwicklung der Bogentechnik beigetragen zu haben. Sein Ruhm heute gründet sich aber vor allem auf seine Tätigkeit als Komponist unzähliger Violin-Etüden (an den sich bis heute Geigenschüler wie Virtuosen die Finger wund spielen), Violinkonzerte und Solostücke. Sie dürfen nicht fehlen im Repertoire der großen Violinisten.
In Polen, seinem Heimatland, ist Wieniawski nach wie vor ungeheuer berühmt, in Deutschland – wie wohl auf Spielplänen und Tonträgern vertreten – dem breiten Publikum weniger bekannt.
Zum Stück
Kinder der Musik: Wasil und Wieniawski
Der Regisseur und Autor René Harder und der Geiger Wasilij Tarabuko, Konzertmeister der Neuen Lausitzer Philharmonie, lernten sich in der Arbeit zur Uraufführung von René Harders „Perdu“ am Theater Görlitz kennen. Schon damals überraschte Tarabuko – neben seinem Geigenspiel – mit seinem schauspielerischen Talent, was Harder dazu inspirierte, ein Stück für ihn als Musiker und Darsteller zu schreiben. Das Thema war schnell gefunden, die Biografie Wieniawskis lieferte eine schier ideale Grundlage: Tarabuko spielt Wieniawski – im doppelten Sinne (noch dazu auf deutsch und polnisch). Episoden aus Wieniawskis Leben werden verwoben mit seiner Musik.
Der Zuschauer lernt Henryk Wieniawski durch die Augen des Geigenschülers Wasil kennen. In Wasil verarbeitet René Harder autobiographische Erfahrungen Wasilij Tarabukos, der bereits als Kind, als Schüler im Minsker Internat für musikalisch Hochbegabte, sich Wieniawski als Idol auserkor und über Jahre hinweg auf ein großes Ziel hinarbeitete und auf viel verzichtete, um es zu erreichen: eines Tages auf der großen Bühne der Universität Poznań zu stehen und am weltberühmten Wieniawski-Wettbewerb teilzunehmen. 1991 ging der Traum in Erfüllung.
Der kleine Wasil im Stück – dargestellt durch eine Puppe – befindet sich in einer ähnlichen Situation. Das Geigenspiel ist Lebensinhalt, sein größter Traum ist es, ein berühmter Virtuose zu werden. Eine wirkliche Bezugsperson gibt es nicht: seinen Vater hat er nie kennen gelernt, die Mutter, eine Schauspielerin, ist an einem Theater weit weg engagiert. Wieniawski, sein musikalisches Vorbild und Idol, wird mehr und mehr zum imaginären Ansprechpartner: bei ihm sucht er die Antworten auf all die Fragen, die ihn beschäftigen und die er niemandem sonst stellen kann. So entwickelt sich (in seiner Fantasie) eine immer intensiver werdende Beziehung – ein poetischer Dialog zwischen Puppe (Wasil) und Musiker (Wieniawski).
Je mehr Wasil über Wieniawski erfährt, desto lebendiger wird seine Projektion – bis sich die Welt Wieniawskis verselbstständigt. Und die Situation sich verkehrt: nun ist es Wieniawski, der Fragen stellt. Von Wasil möchte er etwas Entscheidendes wissen, etwas, das er in seinem Leben selbst nie erfahren hat: Wie ist es, ein Kind zu sein?
Wasil sieht sich vor die Frage gestellt: Will er die Frage Wieniawskis beantworten oder ein Geigensolist werden? – Kindheit oder Karriere?
Uraufführung 6. November 2005 APOLLO (Theater Görlitz)
Erstaufführung in polnischer Sprache 9. Mai 2006 Städtische Bühne Heidelberg
Besetzung
Henryk Wieniawski / Violine .......................................... Wasilij Tarabuko
Njanja / Piano ................................................................... Ewa Zacharczyk-Kowal
Schau- und Figurenspiel diverse Rollen...................... Patrik Lumma, Ewa Wroblewska/Alicja Rapsiewicz
Nadezda ............................................................................. Ewa Wroblewska/Alicja Rapsiewicz
Regie / Text .........................................................................René Harder
Bühne / Kostüme ..............................................................Franz Werner Rautenstock
Figurenköpfe ......................................................................Claudia Nichelmann
Dramaturgie / Koordination ...........................................Nikola Stadelmann
Übersetzung ins Polnische ............................................ Karolina Weber, Grażyna Angermann, Wasilij Tarabuko
Sounddesign ......................................................................Frieder Zimmermann / Quohren mpg
Technik ................................................................................Marius Ostrowski
Produktion ..........................................................................artemision e.V. und Writers' Room e.V.
Ein Beitrag zum deutsch-polnischen Jahr 2005/06
Unterstützt vom Kulturraum Niederschlesischer Oberlausitzkreis (NOL)
von der Niederschlesischen Theater-Stiftung, der Veolia-Stiftung,
dem Kulturamt der Stadt Görlitz, dem Theater Görlitz
und dem Kulturhauptstadtbüro Görlitz/Zgorzelec 2010